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kontrovers
(1.)
Geist und Geister: (fast) tausend Jahre Hohenzollern eine
kleine Chronologie der historischen Ereignisse wider die Hohenzollern-Dämonologie Seit die Hohenzollern Eigentumsrechtsansprüche geltend machen, tobt in Deutschland ein Streit um das historische Erbe des Adelsgeschlechts in Nachfolge des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II. Aber sind die dabei ins Feld geführten Ressentiments gegen die Hohenzollern auch gerechtfertigt? Kronprinzessin Cecilie, geb. Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin (18861954) mit ihren Kindern und Mitgliedern des ehemaligen Kaiserhauses im April 1922 in Cecilienhof bei Potsdam. In Theodor Fontanes Knittelvers aus dem Dreikaiserjahr 1888 ist von Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. die Rede. Unversehens sind wir beim beliebten Hohenzollern-«Bashing», der Hohenzollern-Dämonologie. Selbst der kluge Theodor Fontane verwechselte gelegentlich die Hohenzollern-Geister mit dem Geist der Hohenzollern. Im vergangenen Jahr, historisch betrachtet relativ kurz vor dem tausendjährigen Gedenken an die Hohenzollern, krachte es einmal mehr zwischen den Nachfahren dieser deutschen Monarchie und den Vertretern der bundesrepublikanischen Demokratie: Der Chef der Kaiser-Nachfahren stellte Entschädigungsforderungen und verlangte für seine Familie unter anderem das Wohnrecht im Potsdamer Schloss Cecilienhof. Die republikanische Aufregung, die das auslöste, überrascht. Der Herzog von Bayern zum Beispiel residiert immer noch und längst wieder im Münchener Schloss Nymphenburg. Bei ihrer
Empörung über die «unverschämten» Hohenzollern-Forderungen
übersahen die bundesdeutsch-demokratischen Repräsentanten, dass
sie selbst den gedanklichen und politischen Erstschuss abgegeben hatten:
durch die Diskussion um die Rückgabe von Raubgut, das im Tausendjährigen
Reich vornehmlich Juden entrissen worden war. Ironie der Geschichte: Ein
bedeutender Hohenzoller, der «Grosse Kurfürst», hatte
die Juden 1671 in sein Land geholt. Raub ist Raub und nicht «nur»
auf Juden oder andere Gruppen begrenzt. Es ist deshalb von den Hohenzollern
folgerichtig, Geraubtes zurückzufordern selbst wenn «der
Kronprinz», also der Sohn Wilhelms II., sich gerne den Nationalsozialisten
als Legitimator anbiederte. Was die Gegner übersehen: Sie wenden
unter anderen Vorzeichen das gleiche Instrumentarium wie die Nazis an:
Sippenhaft. Streiten kann man auch über Wilhelm II. Seine Schwächen
sind offenkundig, doch Hohenzollern-Dämonologie ist weder bei ihm
noch bei anderen seines Geschlechtes angebracht. Im Rückblick noch weniger, denn, anders als Fontane (der nicht frei von Antisemitismen war), wissen wir, wer Juden sechsmillionenfach «gefressen» hat. Weder Wilhelm II. noch irgendein Hohenzoller hätte je solche Verbrechen begangen oder daran auch nur gedacht. Ja, Wilhelm II. war sozusagen «bekennender Antisemit», und am «Berliner Antisemitismusstreit» von 1878/79 war der Kaiserhof Wilhelms I. nicht unbeteiligt. Als aber am 9. November 1938 der nationalsozialistische Pöbel Synagogen in Brand setzte, Juden auf offener Strasse drangsalierte und liquidierte, sagte Wilhelm II. in seinem niederländischen Exil, zum ersten Mal in seinem Leben schäme er sich, Deutscher zu sein. Jenseits
der Dämonologie erzählen knapp tausend Jahre eine andere Geschichte
der Hohenzollern. Sie beginnt vor dem ersten Kreuzzug der Jahre 1096 bis
1099. Aufgrund der Mittellage ihres Staates mussten die Hohenzollern militärisch hochgerüstet und gegebenenfalls aus der geografisch-strukturellen Defensive offensivfähig sein. Ganz anders als im Dreissigjährigen Krieg. In seinem politischen Testament von 1667 mahnte der Grosse Kurfürst, zu verhindern, dass im Kriege «Ewere Lande Das theatrum sein wurden, Darauff man die tragedi Spillen werde». Die Mark Brandenburg hatte in jenem Krieg etwa die Hälfte ihrer Bevölkerung verloren. Nach diesem Urtrauma war der grösste Hohenzollern-Staat bis zuletzt von einem bleibenden Gefühl der Verwundbarkeit geprägt. Auch seine späteren Offensiven, sogar Aggressionen, entsprangen abgesehen vom 1740 erfolgten Überfall Friedrichs II. auf Schlesien einem defensiven Geist. Auch die schwäbischen Hohenzollern lagen strategisch-politisch sozusagen in der Mitte, zwischen Württemberg und Baden. Beide hatten mehr als nur ein Auge aufs schwäbisch-hohenzollerische Ländle geworfen. Es überlebte trotzdem, ging 1849 im grossen brandenburgisch-preussischen Bruder und nunmehr, bundesdeutsch, in Baden-Württemberg auf. Im gemütlichen Ländle, nicht in Brandenburg-Preussen, Borussien, liegt die Stammburg der Hohenzollern. Schwäbischen Ursprungs ist auch das seit Mitte des 13. Jahrhunderts gebräuchliche Schwarz-Weiss des Hohenzollern-Wappens. Das war eine geradezu prophetische Farbentscheidung: wie das Wappen, so die häufigste Beurteilung der Hohenzollern schwarz oder weiss. Später
galt es als urpreussisch. Heute verbinden Herr und Frau Jedermann dieses
Schwarz-Weiss nicht mehr mit den Hohenzollern, sondern mit dem Trikot
der deutschen Fussball-Nationalmannschaft. Was den Deutschen einst die
Hohenzollern waren, sind ihnen heute die Fussballkaiser. Hat sich Deutschland
aufwärts, rückwärts oder vorwärts bewegt? Beim Stichwort «Geografie der Hohenzollern» denken fast alle an Deutschland, kaum jemand an Europa. Doch gerade die europäische Dimension gehört zur ganzheitlichen Betrachtung der Hohenzollern-Geschichte. Im monarchisch-aristokratischen Europa gehörte der «Export» und «Import» von Frauen, manchmal auch der zweit- oder drittgeborenen Männer eines Adelsgeschlechtes, zum guten Ton dynastischer Politik. Die brandenburgisch-preussischen
Hohenzollern waren fleissige Exporteure und Importeure europäischen
Adels und Hochadels, auch für hochkarätig-gewichtige Staaten
wie Grossbritannien und Russland. Selbst in dynastischen oder später
nationalen Kriegen blieben die Hohenzollern und andere europäische
Adelsgeschlechter sozusagen unter sich, «in der Familie»,
den adeligen Grossfamilien Europas. Das machte den Krieg, sogar den Ersten
Weltkrieg, als Krieg zwar nicht menschlicher, aber nicht so «total»
wie den Zweiten Weltkrieg, der auch deshalb ein Zivilisationsbruch war,
weil es keine vergleichbaren aristokratisch-dynastischen Verflechtungen
mehr gab. Das Hohelied aufs Militär hätten die Hohenzollern gesungen, behaupten Hohenzollern-Dämonologen. Aber von Johann Cicero, vierter Kurfürst von Brandenburg, gestorben 1499, stammt der Satz: «Vom Krig-führen halte ich nichts.» Selbst der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. empfahl seinen Nachfolgern: «. . . bitte ich umb Gottes willen kein ungerecht krikg anzufangen und nicht ein agressör sein, den(n) Gott (hat) die ungerechten Krige verbohten.» Sein Sohn Friedrich II. war nicht nur Philosoph, Schöngeist, Literat und Musiker, sondern eben auch Herrscher, Kriegs- und Feldherr. Dem Militärerzieher des Kronprinzen hämmerte er dies ein: «Es ist von grösster Wichtigkeit, ihm Geschmack für das Militärwesen beizubringen.» Den Schlesienkrieg hatte Friedrich II. 1740, er gestand es später, des Ruhmes wegen begonnen. Spätestens im Siebenjährigen Krieg, ab 1756, ging es nicht mehr um Ruhm, sondern ums Sein oder Nichtsein seines Preussens. Friedrich Wilhelm II., sein Nachfolger, suchte keine Konflikte. Ihm folgte Friedrich Wilhelm III. Er sagte 1806, nach seinem lange hinausgezögerten (und törichten) Entschluss, gegen Napoleon Krieg zu führen: «Mehr als ein König ist untergegangen, weil er den Krieg liebte; ich, ich werde untergehen, weil ich den Frieden liebte.» Wozu hatte er dann gegen die Weltmacht Frankreich den Krieg erklärt? Vor dem Freiheitskrieg von 1813 bis 1815 «fürchtete» er «viel Widerwärtiges», eben einen Volkskrieg. Die allgemeine Wehrpflicht musste er widerstrebend verkünden, und ganz entsetzlich war ihm das Edikt zum Landsturm. Nach 1815 wollte er nur noch «Ruhe für das erschöpfte Preussen» und für sich selbst. Brandgefahr für ganz Europa drohte im Krimkrieg der Jahre 18531856. Preussen drückte sich. Der spätere König und Kaiser Wilhelm I., der «Kartätschenprinz» der Revolution von 1848, war 1860 sogar der vornehmen britischen Londoner «Times» zu zahm: Preussen stütze sich «immer bei jemandem ab», suche «immer jemanden, der ihm hilft, ist nie bereit, selbst zu helfen. (Es ist) anwesend auf Kongressen, aber abwesend in Schlachten . . . bereit, jede beliebige Menge an Idealen oder Gefühlen beizusteuern, aber scheu gegenüber allem, was nach Realität schmeckt.» Ein Schelm, wer dabei auch an die bundesdeutsche Politik denkt . . . Der Hohenzollern-Staat konnte 1860 nur ein Drittel der Wehrpflichtigen einziehen, weil nach 1820 die Armee stark reduziert worden war. Hier setzte die umstrittene Militärreform Wilhelms I. an. Unter Wilhelm I. und bis 1890 unter Wilhelm II. bestimmte indes Kanzler Bismarck die Richtlinien des Hohenzollern-Staates. Zimperlich war der Eiserne Kanzler gewiss nicht, aber er war kein Hohenzoller, und unter seiner Führung galt eindeutig der Primat der Politik; oft zum Verdruss des Militärs und des Hohenzollern-Kaisers. Unter Wilhelm II. überschritt das Militär immer häufiger und dreister seine Kompetenzen. Zwar wirkte Wilhelm II. zackig, doch Militär und Bürokratie schoben ihn systematisch beiseite; schon beim Kriegseintritt 1914 und dann endgültig unter Hindenburg und Ludendorff ab 1916. Fazit: Der
Militarismus der Hohenzollern ist mehr Dämonologie, wenngleich gerade
seit 1890 mehr aussen- und geopolitischer Geist vonnöten gewesen
wäre. Die Demografie, auch die Ethnografie der Hohenzollern-Staaten, hängt eng mit ihrer Geografie zusammen. Bedeutend war hier das Jahr 1415. Der Burggraf von Nürnberg, Friedrich VI., wird von König Sigismund mit dem Kurfürstentum Brandenburg belehnt. Vor allem der örtliche Adel polnisch-slawischer Herkunft, die Quitzows oder Waldows, waren alles andere als beglückt und bildeten eine Adelsfronde. Sie rebellierten. Gewaltsam. So richtig wohl fühlten sich die fränkischen Hohenzollern in ihrem neuen Herrschaftsgebiet zunächst nicht. Es war für Kurfürst Albrecht (gestorben 1486) eine Herkulesaufgabe, den slawischen Widerstand zu brechen. Zum Dank dafür verlieh ihm der Papst den Beinamen Achilles. Den Herrscheralltag in Brandenburg überliess er danach seinem Sohn Johann. Die «germanisch» bzw. deutsch-slawische Demografiedimension verschärfte sich im Brandenburger Hohenzollern-Staat ab 1511: In jenem Jahr wurde der fränkische Hohenzoller Albrecht zum Hochmeister des Deutschen Ordens in Preussen gewählt. 1525 wechselte er zum Luthertum. Er säkularisierte Preussen und stand fortan als weltlicher Herzog unter polnischer Lehenshoheit. Durch Erbfolge fiel Preussen 1616 an die Brandenburger Hohenzollern. Nun waren sie die machtpolitische Nummer eins der Hohenzollern. Rein deutsch war ihr Staat freilich nie. Der Dreissigjährige Krieg war ein schier unermesslicher demografischer Aderlass im Herrschaftsbereich der Hohenzollern. Danach und deshalb wurde «peupliert», also Menschen «importiert, Ausländer. Die Hohenzollern deutschtümelten nicht, auch nicht in Bayreuth und Ansbach.» Der Grosse Kurfürst betraute Ausländer, sogar Hugenotten und Juden, mit Spitzenpositionen. Es kamen auch Niederländer, Norditaliener, Engländer. Die Ritterschaft beklagte sich, dass «Ämbter bey Hoffe» «mit frömbden und ausländischen Leutten bestalt» seien. Friedrich II. richtete im Ausland regelrechte «Immigrationsbüros» ein. Kontrollierte Migration. Ein Lehrstück für Bundesdeutschland? Der Grosse Kurfürst holte die assimilationswilligen Juden und Hugenotten aus gezielt und gesteuert funktional-wirtschaftlichen, nicht moralischen Gründen. Handelte er nicht trotzdem auch moralisch, indem er ihnen ein besseres Leben ermöglichte? Mit dem Westfälischen Frieden (1648) erhielt Brandenburg unter anderem noch mehr Polen. Ein Albtraum für Germanophile, nicht für Hohenzollern. Mehr Polen das bedeutete auch: viele Katholiken und Juden. Noch mehr Katholiken und sogar seit der Antike jüdisch besiedelte Städte fielen Preussen 1815, auf dem Wiener Kongress, zu: das Rheinland und Westfalen. Die Erweiterung der staatlichen Geografie veränderte neben der Demografie und der Theologie auch die Soziologie des Hohenzollern-Staates: Er wurde nicht nur katholischer, sondern auch bürgerlicher und städtischer und sogar noch ein bisschen «jüdischer». Dieses kulturelle Gemisch wurde in den Hohenzollern-Staat integriert, und diese Integration war zugleich die Transformation zu einem «gemeinsamen Gemeinwesen». Die diversen Polarisierungen wurden in der und durch die Staatlichkeit der Hohenzollern überwunden. Der Hohenzollern-Staat Brandenburg-Preussen verband als Staat und im Staat seine einzelnen Teile zu einem Ganzen. Erst die innere «Germanisierung» Deutschlands und die verständlichen Versuche der Polen im 19. Jahrhundert, wieder einen eigenen Staat zu besitzen, liessen die Spannungen eskalieren. So wurde allmählich der Hohenzollern-Staat nationaler und weniger hohenzollerisch. Die Hegelsche Staatsphilosophie hat jene aus der Notwendigkeit entwickelte Wirklichkeit preussischer (nicht deutscher) Staatlichkeit ins Akademische übertragen nicht umgekehrt. Hegel dachte nach, die Hohenzollern hatten es vorgemacht. Wieder widerspricht die Wirklichkeit der Hohenzollern-Dämonologie. Die Zentralität brandenburgisch-hohenzollerischer Staatlichkeit entsprang auch der Notwendigkeit nach dem dreissigjährigen Verwüstungskrieg. Nicht zufällig zog der Grosse Kurfürst 1688 den Hobbes-Schüler Samuel Pufendorf von Stockholm nach Berlin (wo er in der Nikolaikirche begraben ist). Der Hauptzweck von Staaten, so Pufendorf, bestehe darin, «die Menschen durch gegenseitige Vereinigung und Hülffe dermassen in Sicherheit zu stellen, dass sie vor anderer Gewalt und Unrecht sicher seyen, im guten Frieden leben, auch wider allerhand Feinde genugsam Schutz haben können». Das bedeutete
und führte auch zu einer Schwächung des Adels. Jeder Hohenzoller
wusste: Der Staat musste zentral sein. Ihm hatte auch der absolute Herrscher
zu dienen. Friedrich II. 1752 in seinem politischen Testament: «Der
Souverän ist der erste Diener des Staates. Er wird gut bezahlt, damit
er die Würde seiner Stellung aufrechterhalte, aber man fordert von
ihm, dass er wirksam für das Wohl des Staates arbeite.» Dieses Staatsverständnis war letztlich die Grundlage der auch global phänomenalen Erfolge des Hohenzollern-Staates in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und, daraus abgeleitet, Wirtschaft, Technik und trotz dem kaiserlichen Spiessertum auch Kultur. Das alles hing eng mit dem Staatsverständnis dieses Fürstengeschlechtes zusammen. Dem eigenen Staate dienen, weil es der eigene ist. Dem eigenen Staate dienen, um seinen Bürgern zu dienen, der Gesellschaft dienen, die auch Gemeinschaft sein soll. Das ist der eigentliche Geist der Hohenzollern. Mehr Staat, im Sinne von Staatsapparat, führte letztlich zu weniger König und Kaiser. Schon unter Friedrich II. begann die Überstülpung der monarchischen Staatsführung durch die Bürokratie. Friedrich Wilhelm III. verblasst hinter den Namen der Reformer, deren «Chef» er war. Und seit Friedrich Wilhelm IV. bedurften «Allerhöchste Erlasse» der «ministeriellen Gegenzeichnung». In Militärangelegenheiten
versuchte Wilhelm I. 1861 dieses Prozedere aufzuheben, was jedoch zur
Verselbständigung des preussischen Generalstabs führte, nicht
aber zur Stärkung des Monarchen. Der klagte: «Es ist schwer,
unter Bismarck Kaiser zu sein.» Von ebendiesem Bismarck befreite
sich Wilhelm II. 1890, um danach fast zur Marionette seiner Regierungsbürokratie
und des Militärs zu werden. Ab 1916 war der Kaiser faktisch von der
Bildfläche verschwunden. Das Sagen hatten vor allem und allen die
Militärs, Hindenburg und Ludendorff an ihrer Spitze. Für Herrn
und Frau Jedermann sowie für viele Historiker gilt Wilhelm II., wie
viele Hohenzollern, dennoch als Verkörperung des deutschen Militarismus.
Einmal mehr: Dämonologie statt Tatsachen. Die schwäbische Linie macht es dem Betrachter leicht: Sie blieb konstant katholisch. Ebenfalls kirchenfromm waren Kurfürst Albrecht Achilles und sein Bruder Johann sowie Kurfürst Friedrich II. Wie Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1898 pilgerten die beiden Früh-Hohenzollern 1435 nach Jerusalem; friedlich, ohne Kreuzzug. Kurfürst Joachim I. (gestorben 1535) war noch ein erbitterter Gegner der Reformation und Luthers. Doch bereits 1525 wurde sein Vetter Albrecht aus der fränkischen Hohenzollern-Linie als letzter Hochmeister des Deutschen Ordens Lutheraner und verwandelte das Ordensland in ein Herzogtum. Doch schon Joachim II. Hector, der Sohn des Ersten, legte 1539 in einem öffentlichen Glaubensbekenntnis im Cöllner sprich: Berliner Dom, quasi als Staatsakt, sein Bekenntnis zur lutherischen Orthodoxie «ohne calvinische und andere sectiererische irthumb» ab. Kein Irrtum, sondern glaubensstarkes Faktum und zudem mutig war am Heiligen Abend 1613 der Übertritt von Kurfürst Johann Sigismund zum Calvinismus. Der weitgehend lutherische Adel war, wie wohl der Grossteil der ebenfalls lutherischen Untertanen, empört. Das lutherische Volk hatte nun einen calvinistischen Monarchen. Der Grosse Kurfürst (gestorben 1688) hatte als erster brandenburgischer Kurfürst zwei calvinistische Elternteile und heiratete seinerseits eine Calvinistin: die Niederländerin Luise Henriette von Nassau-Oranien. Sozusagen niederländische Toleranz praktizierte ihr Mann sogar den Juden gegenüber: 1671 durften sich einige aus Wien vertriebene in Berlin ansiedeln. Ethik der Ökonomie. Von der antiprotestantischen Intoleranz des Franzosen Ludwig XIV. profitierten der Grosse Kurfürst und sein Staat ebenfalls. Nachdem der Franzose das Toleranzedikt von Nantes (1598) aufgekündigt hatte, erliess der Hohenzoller 1685 das Edikt von Potsdam. O-Ton Grosser Kurfürst: «Die Differenzen zwischen den Religionsgemeinschaften gebieten zweifelsohne gewalttätigen Hass . . . älter und heiliger ist doch das Gesetz der Natur nach welchem der Mensch den Menschen tragen, dulden, ja dem ohne Schuld gebeuten zu helfen verpflichtet ist.» Den Menschen
tragen beziehungsweise ertragen, lateinisch «tolerare», deutsch
tolerieren. Toleranz, das sagt uns nicht nur Goethe im «Wilhelm
Meister», ist freilich weniger als Akzeptanz des Andersseins des
anderen alles besser als der im heutigen Deutschland eher schlechte
Ruf «der» Hohenzollern. Tote kann man nicht befragen. Mit Thomas Brechenmacher hat der Autor die Methode der historischen Demoskopie entwickelt («Die Deutschen»). Ihr Instrument sind Vornamen, denn Vornamen sind ein Signal der Namensgeber von ihrem Inneren an die Aussenwelt. Sage mir, welche Vornamen du vergibst, und ich sage dir, mit wem oder was du dich identifizierst. Die Hohenzollern identifizierten sich jahrhundertelang mit dem Vornamen Friedrich. «Bis zum ausgehenden Mittelalter haben über 50 Prozent aller Angehörigen des Hauses Hohenzollern diesen Namen getragen, zum Teil durch Beifügungen unterschieden.» Oft, nicht immer, wurde der erstgeborene und erbberechtigte Sohn Friedrich genannt. Das Signal ist eindeutig: die Identifikation mit der Familientradition. Was wissen wir über die Identifikation der Deutschen mit «den» Hohenzollern? Die besonders von Heinrich Mann beförderte Legende besagt: «Die» Deutschen hätten sich im Geist von «Untertanen» mit ihrer Hohenzollern-Obrigkeit identifiziert. Die Tatsache: Noch bis zur Jahrhundertmitte identifizierten sich «die» Deutschen vornehmlich mit Tradition und Religion, weniger mit Politik. Wo und wenn sich die Deutschen überhaupt freiwillig fürs Politische entschieden, dann für die Hohenzollern. Tatsache ist auch, dass die Monarchie-Nostalgie in der Weimarer Republik ab- und eben nicht zunahm. Diese Tatsache bezieht sich sowohl auf die Hohenzollern als auch die Wittelsbacher, die württembergische und die sächsische Monarchie. Im «Dritten Reich» schmolz die Identifizierung mit Monarchischem weiter. In der Bundesrepublik schmolz sie ganz und gar zusammen. Glanz und Gloria der Kaiser und Könige ist in Deutschland politisch endgültig vorbei. Sie glänzen nur noch auf den Seiten regenbogenfarbiger Illustrierten. Den Deutschen und der Welt wäre freilich viel erspart geblieben, hätte es nach dem Ersten Weltkrieg, ähnlich dem britischen Modell, eine konstitutionelle Hohenzollern-Monarchie mit dem Volk als demokratisch bestimmendem Souverän gegeben. In der deutschen Geschichte wirkten nicht nur, aber eben auch Geister. Die Hohenzollern hatten in knapp tausend Jahren nie wirklich geisterhaft Dämonisches. Verkörperten sie «den» deutschen Geist, was immer dieser war oder ist? Das ist ein zu «weites Feld». Aus meiner Sicht haben die Hohenzollern in Deutschland, für Deutschland und für die Deutschen, auch im Weltmassstab, Gutes und Grosses bewirkt. Nicht nur, aber eben auch. Schwarze Schafe kennt jede Familie, auch die Hohenzollern. Doch insgesamt können die Hohenzollern stolz, die Deutschen den Hohenzollern dankbar sein. Als Dynastie sind sie Vergangenheit, als Familie sei ihr, wie jeder anderen «anständigen Familie», eine lange und gute Zukunft beschieden. God save the Hohenzollern.
(2.) Michael Wolffsohn: Identität ist fließend Der Historiker Michael Wolffsohn ruft dazu auf, die Vielheit unserer Identitäten zu akzeptieren. Identität sei nichts Statisches, sagte er im Dlf. Angehörige religiöser Minderheiten, die Toleranz erwarten, müssten selbst tolerant sein. Er habe nichts gegen den Kreuzerlass in Bayern. zum Gespräch im Dlf
Von Platons
Falle zu Hitler Beitrag
von Michael Blume, DLF 08/2020 als Podcast
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